Doppelerfolg vor Landgericht Görlitz: Eheleute können Beteiligungen rückabwickeln

Knapp vor Ablauf der 10-jährigen Verjährungsfrist und somit fristgerecht reichten unsere Mandanten, wohnhaft in H.,  Klage gegen einen süddeutschen Strukturvertrieb ein. Im Verlauf der über sechs Stunden andauernden Verhandlung gelangte das Landgericht Görlitz zu der Überzeugung, bei beiden in Frage stehenden Beteiligungen an einem geschlossenen Immobilienfonds handele es sich um spekulative Investments. Dieses Landgericht war für den Fall zuständig, weil der zuständige Strukturvertriebsmitarbeiter dem Büro in H. angehörte.

Die Fälle          Unsere Mandanten hatten sich im Jahr 2003 an einem geschlossenen Immobilienfonds mit einem Gewerbeobjekt in Stuttgart beteiligt. Trotz fehlenden Vermögens und geringen Einkommens empfahl die Beraterin die Kündigung der zum Teil noch von den Eltern angesparten Lebensversicherungen und die Investition der Rückkaufswerte in besagten Fonds. Nach Aussage der Beraterin war das Risiko gering, da das Objekt zu 90% vermietet war. Das Gericht hingegen gelangte aufgrund der hohen Fremdfinanzierungsquote, des Aktienfondsdepots im Fonds sowie des zu gering kalkulierten Mietausfallwagnisses von 3% zu der Überzeugung, dass die Beteiligungen als spekulativ zu betrachten seien.

Unerwähnt blieb, dass der Strukturvertrieb als Mehrheitsaktionärin an der Prospektherausgeberin beteiligt war. Diese hatte eine Fondsschließungsgarantie abgegeben und war damit für die (Nicht)Einwerbung von Anlegerkapital haftbar.

Die noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen          Nach 6-stündiger Beweisaufnahme sah es das Gericht als erwiesen an, dass ein Beratungsfehler vorlag und die Beraterin unseren Mandanten ein für sie ungeeignetes Investment empfohlen hatte. Noch in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2014 gab diese ihrer Überzeugung Ausdruck, es hätte sich um gute Investments gehandelt, obwohl die prospektierten Erträge nachweislich nicht nur bei weitem verfehlt wurden, sondern sich sogar prospektierte Risiken verwirklicht hatten.

Da bei dem Beratungsgespräch keine Zeuegen zugegen waren, konnte es nur zu einer Beweisaufnahme kommen, indem sich die Ehepartner ihre Ansprüche wechselseitig abtraten und als Zeugen einsetzten. Die aus taktischen Gründen gegen sie als Zeugen angestrengten Drittwiderklagen zeigten keine Wirkung. Zu dem Doppelerfolg beigetragen haben dürfte auch die Hinzuziehung eines versierten und über lange Jahre erprobten Strafverteidigers, der uns bei den aufwendigen Zeugenvernehmungen hilfreich zur Seite stand.

Mit seinen Urteilen vom 30. Januar 2015 (Az.: 5 O 530 und 479/13) sprach das Landgericht Görlitz unseren Mandanten sämtliche von ihnen eingezahlte Beträge zu. Sie wurden überdies von der Haftung auf Abzahlung ihrer Ratenzahlermodelle befreit und müssen damit keine Zahlungen mehr leisten. Haben die Urteile Bestand, erhalten sie insgesamt mehr als 10.000,00 Euro zurück.

Dem Oberlandesgericht Dresden als Berufungsinstanz sind derartige Sachlagen und der in Frage stehende Strukturvertrieb nicht unbekannt. Bislang hielten alle von uns erstrittenen erstinstanzlichen Urteile auch vor diesem Oberlandesgericht Stand.

Schlussfolgerungen          Das beschriebene Beispiel kann als exemplarisch für eine Vielzahl von Anlegerschicksalen betrachtet werden. An sich gute Ideen, wie beispielsweise hier Immobilienbeteiligungen für kleine Leute, werden auf dem grauen Kapitalmarkt regelmäßig in ihr Gegenteil verkehrt. Mangelhafte Verkaufsgespräche, verschwiegene Interessenkonflikte sowie zu hohe Kosten und zu geringe wirtschaftliche Risikovorsorge bei den Fonds sorgen regelmäßig für Anlegerbeschwerden und Vermögensverluste. Die Zeit arbeitet gegen den ahnungslosen Anleger, nur durch beherztes Handeln kann man dem Verjähren von Schadensersatzansprüchen entgegenwirken. Aufwendige Aufarbeitungen der zugrunde liegenden Lebenssachverhalte durch Anleger und Anwälte sowie die richtigen Prozesstaktiken führen dann oft zum Erfolg. 

Die Anlageberaterin wird sich wohl auch auf einen Regress der Strukturvertriebsfirma vorbereiten müssen, weil sie deren Provisions- und Belohnungssystem missverstanden hat und den Erfolg der Anlegerprozesse gegen ihre Firma durch Falschberatungen erst möglich machte. Auch Unwissenheit dürfte die ehemalige Kindergärtnerin nicht vor der Begleichung der Schäden und der Prozesskosten schützen.

Jens Reime
Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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